Chronischer Schmerz unterscheidet sich in wichtigen Aspekten von akutem Schmerz. Er hat seine Signal- und Warnfunktion verloren und wird, während der akute Schmerz häufig Begleitsymptom einer Erkrankung ist, selber zur Krankheit.
Während akuter Schmerz meist sinnvolle Reaktionen und ein gesundheitsförderliches Verhalten auslöst oder erzwingt, ist der chronische Schmerz häufig "sinnlos" und führt zu einem Circulus vitiosus zwischen chronischem Schmerz-Inaktivität-sozialem Rückzug-Depression-Schmerzverstärkung.
Häufig kann ein einfaches Ursache-Wirkungs-Prinzip bei akuten Schmerzen hergestellt werden, wodurch der akute Schmerz durch Behandlung der Ursache gut therapierbar ist. Bei chronischen Schmerzen sind die Ursachen häufig nicht klar erkennbar, oder multikausal.
Akute Schmerzen können meist einem umschriebenen Ort zugeteilt werden, wogegen chronische Schmerzen häufig mulitlokulär sind, im Extremfall entstehen "Ganzkörperschmerzen". Daneben treten zunehmend Befindlichkeitsstörungen wie Schlafstörungen, Erschöpfung, Schwindel und Gereiztheit auf.
Während aufgrund des klaren Ursache-Wirkung-Zusammenhanges und eines vorweisbaren Schmerzortes das soziale Umfeld auf akute Schmerzen in der Regel hilfsbereit und mit Mitgefühl reagiert, engen sich die sozialen Kontakte chronischer Schmerzpatienten zunehmend ein. Es kommt schließlich zum Rückzug, zu Problemen in Beruf und Familie, was nicht selten in Verzweiflung und sogar Suizidalität mündet.
Ein wichtiger Meilenstein im Verständnis des chronischen Schmerzes ist die Erkenntnis, dass unser Nervensystem Schmerzwahrnehmungen und Schmerzempfindung "lernen kann". Dieser Lernprozess hat sein Korrelat u.a. in Umbauprozessen der Nervenzellstrukturen.
Diese "neuronale Plastizität" ist zum Beispiel verantwortlich für das Phänomen der primären und sekundären "Hyperalgesie" oder den "Phantomschmerz", wo Schmerzen noch lange nach Behebung der ursprünglichen Schmerzursache andauern können und im ungünstigsten Fall irreversibel werden. Man nimmt an, dass hierfür die Entwicklung eines "Schmerzgedächtnisses" verantwortlich ist.